Mindfulness for Austria

„Das aktuelle Geschehen zeigt sehr deutlich, dass Migration eines der kom­ple­xes­ten Themen unserer Zeit ist; nicht lokal begrenzt, sondern alle Kon­ti­nen­te in un­ter­schied­lich großem Ausmaß betreffend. […] Men­schen flie­hen vor Krieg, Fol­ter, Men­schen­han­del, Terror und Gewalt und somit gehören Entwurzelung, Hei­mat­ver­lust und Ab­schied zur Er­fah­rungs­welt vieler Men­schen. […] Dazu kommt, dass vor allem auch die Flucht zusätzlich extrem traumatisierend ist […]

 Claudia Winklhofer

Mit diesen Worten eröffnet die Pädagogin und Psychotherapeutin Claudia Winklhofer in ihrer 2016 erschienenen Broschüre Flucht und Trauma im pädagogischen Kontext das Kapitel Migration, Flucht und Trauma.

Nach dem jährlichen UNHCR‐Statistik‐Bericht Global Trends waren im Jahr 2019 knapp 80 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. In der Genfer Flüchtlingskonvention sowie in den österreichischen Gesetzen ist genau definiert, welche Menschen als Flüchtlinge anerkannt werden können. Menschen, die ihr Herkunftsland aufgrund der Religion, Na­tio­na­li­tät, Rasse, politischen Meinung oder Zu­ge­hö­rig­keit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verlassen mussten, weil sie verfolgt wurden oder be­grün­de­te Furcht vor Verfolgung haben, sind demnach Flüchtlinge. Zusätzliche Fluchtgründe von Kindern und Jugendlichen sind Zwangsrekrutierung zum Kindersoldaten bei Buben, Zwangs­ver­hei­rat­ung bei Mäd­chen, Sippenhaftung, Kinderhandel oder sexuelle Ausbeutung. Weitere Informationen dazu finden sich im Handbuch Flucht und Trauma im Kontext Schule, das 2020 von UNHCR aktualisiert wurde.

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Was passiert nun bei einem Trauma?

Brigitte Lueger‐Schuster, Universitätsprofessorin für Psychotraumatologie, definiert Trauma in ihrem Artikel Trauma – aus der Sicht der Psychologie folgendermaßen:

„Trauma, griechisch: eine Wunde, die aufbricht, meint ursprünglich die kör­per­li­chen Konsequenzen, die ein Or­ga­nis­mus nach einem gewaltigen Schlag erleidet. Ins psychologische übertragen, bedeutet Trauma, die Konfrontation mit ei­nem Er­eig­nis, das real stattgefunden hat, dem sich das Individuum schutz‐ und hilflos aus­ge­lie­fert fühlt und bei dem die ge­wohn­ten Abwehrmechanismen und Ver­ar­bei­tungs­stra­te­gien erfolglos sind. Reizüberflutung und Reizüber­wältigung sind so macht­voll, dass automatisch Angst entsteht, die nicht mehr beherrschbar ist. Als Fol­ge treten kurz‐ und langfristige psychische Störungen auf. Trau­ma­ti­sie­rung meint den Pro­zess, Trauma ist das Ergebnis dieses Vorganges.“

Peter A. Levine, einer der bekanntesten Traumaforscher und Gründer der Traumatherapiemethode Somatic Experiencing, schreibt, dass Menschen auf potentiell traumatische Erlebnisse unterschiedlich reagieren können. So können Extrem­situationen bei manchen Menschen ein nachhaltig andauerndes Trauma auslösen und bei anderen Menschen nicht. Handelt es sich jedoch um eine extreme Ge­walt­si­tua­tion, geht dies meist mit einem anhaltenden Trauma einher. Die Zeit heilt alle Wunden gilt somit bei Trauma leider nicht.

„Schwer traumatisierende Erlebnisse sind unfassbar, nicht mitteilbar und ent­zie­hen sich daher sehr oft der Versprachlichung. In der Folge führen sie in die Iso­la­tion und Vereinsamung. Entscheidend für die Fol­gen eines Traumas ist nicht nur das auslösende Ereignis, sondern vor allem die darauffolgenden Ereignisse. Somit kann ein Trauma über Jah­re, gar Jahrzehnte hinweg individuell und sozial wirk­sam bleiben und auch noch Folgegenerationen erfassen.“

 Claudia Winklhofer

Die Traumatherapeutin Babette Rothschild nennt in ihrem Buch Der Körper errinnert sich folgende Trau­ma­symp­to­me:

das Wiedererleben des Ereignisses über unterschiedliche Sinneskanäle (Flashbacks)

das Vermeiden aller Dinge, die an das Trauma erinnern

chronisch übermäßige Erregung des autonomen Nervensystems

Somatische Störungen stehen meist im Mittelpunkt, wie z.B. Beschleunigung der Herzfrequenz, Ausbruch von kaltem Schweiß, Herzrasen oder eine übertrieben starke Schreckreaktion. Werden diese Symptome chronisch, können sie Schlaf­stör­ung­en, Appetitverlust, sexuelle Funktionsstörungen oder Konzentrationsschwierigkeiten hervorrufen. Weitere Folgen sind: Fehlende Traumaerinnerung, ver­min­der­te emotionale Ansprechbarkeit, Betäubtsein und emotionale Stumpfheit, Teil­nahms­lo­sig­keit, erhöhte Reizbarkeit, Aggressionen

Ein für uns hilfreiches Bild in Zusammenhang mit Trauma ist folgendes:

Gelingt es, die durch Trauma entstandenen Blockaden (siehe erstes Bild oben) im Kör­per wieder zu lösen (siehe letztes Bild oben), kann ein Trauma geheilt werden. Trau­ma­sen­si­ti­ve Achtsamkeitsübungen unterstützen genau diesen Prozess.